Ich bin zum 50. einer Arbeitskollegin eingeladen. Ich kenne sie eigentlich gar nicht näher, aber sie hat unsere ganze Abteilung eingeladen und alle haben zugesagt. Keine Chance also zu kneifen. Ich mag Feiern nicht. Ich habe sozialphobische Züge und fange an zu schwitzen, wenn ich in einem Raum mit mehr als 10 Personen so tun muß als hätte ich Spaß.
Die erste halbe Stunde kriege ich rum, keine Frage. Erst mal 'n Sekt organisieren, Tasche und Jacke irgendwo hinschmeißen, beiläufig die Lage scannen. Die ersten Umarmungen „hey, schon lange nicht gesehen, wie geht’s?“ und nachdem ich mit „gut“ geantwortet habe, beginnt die Situation sich schon zu verkrampfen. Klar, kann ich mir jetzt schnell noch 'n Sekt organisieren. Gute Idee eigentlich, mein Gegenüber möchte gerne noch 'ne Holunderschorle. Noch sitzt mein Lächeln, als ich in der Ecke einen Mann mit Keyboard bemerke. Er hantiert mit Kabeln, bedient Scheinwerfer. Die Heino-Frisur, sein gepflegter Bierbauch und sein geschätztes Alter lassen nichts Gutes vermuten. Mir bleibt auch nichts erspart. Charmant lächelt „Fred für alle Fälle und jede Gelegenheit“ einigen Damen zu, die ihn beobachten, woraufhin jene verlegen die Augen nach unten richten und ihre Tanz-Pumps scannen. Ich denke mir, 50 ist doch eigentlich noch nicht soooo alt - isses aber!
Im besten Fall hat Freddy der Alleinunterhalter, neben Schunkel-Liedern noch ein paar Beatles-Hits im Repertoire. Ich würde ja einfach sagen "Let it be", aber Fred würde antworten."La la how the life goes on, Mausi!" Jetzt macht er einen Soundcheck und singt, daß uns 7 Fässer Wein doch nicht gefährlich sein könnten. Einen roten Faden kann ich beim besten Willen nicht in seiner Musikauswahl erkennen. "I can´t get no … satisfaction" Das nehme ich einem Mike Jagger mit über 70 Jahren immer noch eher ab als Freddy.
Wo ist eigentlich mein Sekt? Das Büffet ist noch nicht eröffnet, als ich beschließe, heute Abend nach fast 20 Jahren wieder zu rauchen. Mist, ich war zu langsam. Meine Bekannte fängt mich mit zwei Gläsern Holunderschorle ab und meint „selbst angesetzt und mit ganz wenig Zucker. Probier mal!“ Dann erzählt sie, daß sie während der letzten fünf Jahre drei mal umgezogen sei und zwei mal den Arbeitgeber wechseln mußte. Wahnsinn! „Ich sag Dir! Und das kam so.......“ Nach einer Weile kann ich das Lächeln nicht mehr aufrecht halten. Fred meint „Take it easy, altes Haus“ und ich oute mich als Raucherin, die dringend frische Luft schnappen muß. Hab ich schon gesagt, daß ich Feiern nicht mag?!
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