Die Psychologie des Glücks
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Die Psychologie des Glücklichseins

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„Glück“ und „glücklich sein“ gehören für die meisten Menschin in die Liste der grossen Lebensziele. Ich kann kein Rezept schildern, wie jemand glücklich werden könnte. Dafür gibt’s zu viele Wege… zum Glück. Aber ich möchte die Ideen zweier Autoren zum Thema „glücklich sein“ und „Glück“ ausführen. Die beiden Autoren liefern aus psychologischer Sicht theoretische, aber auch praktische Überlegungen zur Entstehung vom Gefühl des „Glücklichseins“.

François Lelords Buch „Hectors Reise“


Der erste Autor ist kein wissenschaftlicher. Er ist ein Literat und Romancier aus Frankreich. Der absichtlich in einer Kindersprache geschriebene Roman, um den es mir hier geht, kann es aber aufnehmen mit einer wissenschaftlichen Abhandlung zum Thema Glück, vor allem weil darin ein sehr interessantes „Glücks-Modell“ vorgestellt wird. Vielleicht kennen Sie das Buch : „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“. Francois Lelord war selber praktisch tätiger Psychotherapeut und Psychologe, bevor er den Beruf an den Nagel hängte, um sich dem Schreiben zu widmen.


In diesem rationalen Verständnismodell des Glücks ist das Vergleichen oder der Vergleich von Zuständen die entscheidende Variable. Glücksgefühle können demgemäss durch drei Arten von Vergleichen entstehen:


  1. Vergleichen mit seiner Vergangenheit. Empfindet der Vergleichende seine Gegenwart oder absehbare Zukunft als besser, dann kann sich „Glück“ als Gefühl einstellen. Umgekehrt könnte ihn ein „unglückliches Gefühl“ befallen.
  2. Vergleichen mit seinem Umfeld. Empfindet der Vergleichende seinen Zustand (oder was auch immer verglichen wird) als besser als derjenige seiner bedeutsamen Bezugspersonen, dann hat er wieder eine Chance auf ein Glücksgefühl. Umgekehrt könnte es ihm schlechter gehen. Unter bedeutsamen Bezugspersonen versteht man: Familie, Verwandte, Partner, Freunde, Kollegen, Arbeitskollegen etc.
  3. Der Vergleich mit einem Ideal. Empfindet der Vergleichende seinen Zustand als ideal oder (s)einem Ideal entsprechend, entsteht sogar ein grosses Glücksgefühl. Eine grosse Differenz zum Ideal kann als grosses Unglück empfunden werden.

Es werden mindestens zwei Zustandsvorstellungen einander gegenüber gestellt: Früher und heute, ich und die Andern, mein Ideal und meine Realität. Das sind die allgemeinen Denkfiguren dieses Glücks-Modells. Es ist auch ganz einfach zu testen. Nehmen wir statt des Glücks- das Unglücksgefühl. Angenommen, ich bin mit meinem Beruf unglücklich. Das Tätigkeitsprofil hat sich verändert, und diese Veränderung macht mich nicht glücklich (Vergleich mit der Vergangenheit). Ich hatte die Stelle damals angetreten, weil sie wirklich meinen Idealvorstellungen entsprach. Mein Nachbar, den ich gut kenne, hat mehr Glück: Er arbeitet im gleichen Beruf, aber in einer andern Firma. Seine Stelle ist inhaltlich die gleiche geblieben. Die drei Vergleiche sind immer auch gleichzeitig machbar, und oft mag stellt sich dann das grösste Unglücksgefühl ein, wenn auch alle drei gleichzeitig zu Ungunsten ausfallen.



Der Mensch braucht Gründe fürs Glücklichsein (Viktor E. Frankl)


Nun zum zweiten Autor:Viktor E. Frankl, ein das Konzentrationslager überlebender Arzt und ein viel beachteter Autor und Praktiker der Psychotherapie. Im Zusammenhang mit „Glück“ und „glücklich sein“ spricht er etwas meines Erachtens Bemerkenswertes aus. In einem seiner Grundsatztexte „Der Mensch auf der Suche nach Sinn“, schreibt er: „ Ich würde sagen, was der Mensch wirklich will, ist letzten Endes nicht das Glücklichsein an sich, sondern ein Grund zum Glücklichsein. Sobald nämlich ein Grund zum Glücklichsein gegeben ist, stellt sich das Glück, stellt sich die Lust von selber ein.“  Glücklichsein an und für sich gibt es nicht. Es gibt nur Gründe zum Glücklichsein. Menschen tun also gemäss Frankl gut daran, nach ihren persönlichen, konkreten Gründen zu suchen, die für sie die Kraft für ein Glücksgefühl haben. Oder sie tun gut daran, ihren persönlichen Gründen für Glück auf den Grund zu gehen. Vielleicht sollten sie hinterfragt und gegebenenfalls „ausgetauscht“ werden. Das scheint mir das Fazit aus Frankls Überlegung zu sein.


Diese Gründe zum Glücklichsein setzen voraus, dass der Mensch zum Voraus Vorstellungen oder Konzepte hat, die sich auf mögliche Inhalte seines Lebens beziehen. Solche Gründe sind sicher nicht immer die genau gleichen. Sie sind von Person zu Person unterschiedlich. Tatsache scheint aber zu sein, dass wir genau spüren und begreifen, wenn wir einen Grund haben zum „glücklich sein“. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir auch spüren, wann wir keinen Grund dazu haben oder nur ein bisschen Grund dazu haben. Wir können als ermessen, wie weit weg wir uns von einem guten Grund, glücklich zu sein, befinden. Das führt uns zurück zu unserem Literaten François Lelords und seinem Glücksmodell, das uns Hector auf seiner Reise nach dem Glück so schön zu erklären vermag.



Bedeutung für Beratung und Psychotherapie


Die Schnittmenge der beiden Autoren „François Lelord“ und „Viktor E. Frankl“ ergibt nämliches folgendes: Ein gewonnener Vergleich ergibt einen Grund zum Glücklichsein.


Diese Schnittmenge scheint mir auch von praktischer Bedeutung für eine beraterisch-psychologische und psychotherapeutische Arbeit. Ausgangspunkt von zahlreichen psychologischen Beratungen und Therapien ist ein mehr oder weniger ausgeprägter Leidenszustand des Klienten oder Patienten. Es ist eigentlich ein Zustand des empfundenen Unglücks. Deshalb ist es verständlich, dass die Erwartungen von Klienten an Psychotherapeuten geprägt sind von der Hoffnung, dass durch die Beratung und Therapie dieser Zustand verändert wird.


Der Prozess, der solchen Zustandsveränderungen führt, hat letztlich mögliche Gründe zum Gegenstand, sich glücklicher zu fühlen. Wobei „glücklich“ oder „glücklicher“ auch mit Worten wie „versöhnt“, „weniger ängstlich“, „selbstsicherer“, „enttraumatisiert“, „gestützt“, „reifer“ etc. operationalisiert werden kann. Die Gesprächsinhalte einer Psychotherapie können nämlich sinnvoll systematisiert werden als Vergleiche mit früher (1), mit seinem Umfeld (2) oder mit seinen Idealen (3). Dabei spielen die Gründe oder Ursachen für bestimmte Vergleichsempfindungen und Vergleichsüberlegungen aus subjektiver Sicht eine grosse Rolle.


Oft ist deshalb eine Neubewertung von „alten Erfahrungen“ hilfreich. Auch die Suche nach neuen Erfahrungen, die zu ganz neuen Vergleichen führen, ist ein mögliches Ziel. Und schliesslich gilt es, rigide Ideal-Konzepte zu hinterfragen und flexibler zu gestalten. Das ist recht häufig sogar der nachhaltigste Weg zu mehr Zufriedenheit.


Ein solcher Prozess kann erleichtert werden, er in eine hilfreiche professionelle Beziehung eingebet ist. Selbstverständlich können die gleichen Prozesse auch per Selbsttherapie stattfinden. In der Regel ist eine psychologische Beratung oder Psychotherapie angesagt, wenn man alleine nicht mehr weiter kommt und wenn das persönliche Umfeld mit dem Prozess zu sehr belastet würde oder sich schlicht nicht dafür eignet.


Abschliessende Bemerkungen


Viele „Probleme“, welche zu Unglücksgefühlen führen, sind nicht „Probleme“, die einfach einer abschliessenden Lösung zugefügt werden können. Ich meine damit „Probleme“, die besser mit Aufgaben des Lebens, Lebensaufgaben, beschrieben werden: Gesund bleiben, selbstständig werden, ein Einkommen haben, eine Partnerschaft führen, Kinder grosss erziehen (ein „Problem“, das 20 Jahre dauern kann), Freunde behalten, mit einer Krankheit leben, sich weiterbilden müssen, an einem neuen Ort anfangen, die Stelle verlieren, einen Partner verlieren… Lebensherausforderungen führen zwangsläufig zu Anspannungen, mal mehr, mal weniger. Unmöglich scheint mir hingegen, dass sie nie zu Anspannungen führen. Das ist wirklich kaum denkbar. Hinzu kommt eine unangenehme Gewissheit: Man kann an Lebensherausforderungen auch scheitern. Gerade solche Situationen stellen auch für eine Psychotherapie eine besondere Herausforderung dar.


Zu guter Letzt: Glück wie Unglück sind Gefühle. Gefühle sind keine Sachen. Nur Sachen kann man in einer Vitrine ausstellen, um sie täglich einmal anzuschauen. Gefühle sind nicht nur dem Leben ausgesetzt. Sie sind selber Ausdruck von Leben. Sie verdienen deshalb, zumindest im Rückblick, in jedem Fall unsere Wertschätzung.


Lic.phil. Frank Margulies, Fachpsychologe FSP für Psychotherapie Zürich


Literaturangaben:

Viktor E. Frankl: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn.. François Lelord: Victors Reise oder die Suche nach dem Glück. Beide Bücher sind übrigens im Piper-Verlag erschienen.




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